Der Vorgängerbau – die Burg Schellenberg
Bereits im 13. Jahrhundert, im Zuge der Besiedlung des Erzgebirges, wurde auf dem Schellenberg eine Ritterburg – die Burg Schellenberg – errichtet. Archäologische Befunden datieren die Entstehung um 1220/30. Bereits im 14. Jahrhundert fiel die Burg in wettinischen Besitz und wurde weiter ausgebaut. Durch Brandschäden verfiel die Burg jedoch im 16. Jahrhundert allmählich. Im Jahr 1567 wurden die Reste der Anlage soweit abgetragen, dass im darauffolgendem Jahr der Bau des Schlosses beginnen konnte. Im 14. Jahrhundert erfolgte ein umfassender Ausbau der mittelalterlichen Anlage, der bis spätestens 1385 weitgehend abgeschlossen war. Bis zur Errichtung des Schlosses gab es keine weiteren Neubauten. Kurfürst August ließ die Reste der Schellenburg abtragen. Beim Schlossbau wurde keine Rücksicht auf die vorhandene Bausubstanz genommen und davon nichts in den Neubau einbezogen. Das Schloss sollte „zu Einem Ewigen gedechtnus des gemachten frides“ erbaut werden, wie es in dem Schriftstück der Grundsteinlegung heißt. Die streng symmetrisch konzipierte Vierflügelanlage ließ keine Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz zu. Lediglich die Südweststrecke des Lindenhauses ruht auf der Ringmauer der hochmittelalterlichen Burg.
Als Zeichen des Friedens und der Macht sowie um sich selbst mit einem würdigen Schloss ein Denkmal zu setzen, wählte Kurfürst August den Schellenberg. Zwischen 1568 bis 1572/73 entstand hier das Jagd- und Lustschloss Augustusburg. Es wird vermutet, dass der Kurfürst die ersten Entwürfe dafür selber erstellte. Für kaum einen anderen Schlossbau des 16. Jahrhunderts in Europa lässt sich die Motivation des Bauherrn so genau bezeichnen wie für Schloss Augustusburg. In seinem Projekt suchte Kurfürst August den europäischen Vergleich. Für die Geschichte Deutschlands und Sachsens war dieser Anlass von größter Bedeutung und besaß insbesondere religionspolitisch europaweite Auswirkungen. Der ordnende Gedanke, dem auch die Innenpolitik folgte, ist im Grundriss von Schloss Augustusburg abzulesen. Die geometrisch präzise Ausgestaltung des Grundrisses ist in ihrer Regelmäßigkeit und Klarheit in ganz Europa für diese Zeit außergewöhnlich. Eine vergleichbare Gestaltung ist damals nur noch in dem Kernbau des seit 1519 von Franz I. von Frankreich errichteten Schlosses Chambord an der Loire zu
finden sowie in dem für den spanischen König zwischen 1563 und 1584 errichteten Klosterschloss San Lorenzo de El Escorial und dem im 16. Jahrhundert nach den Plänen des berühmten italienischen Architekten Serlio erbauten Château d’Ancy-le-Franc in Burgund.
Kurfürst August wählte Hieronymus Lotter (1497–1580) als Oberbaumeister für Schloss Augustusburg. Der 70-jährige Architekt und Bürgermeister von Leipzig war erfahren, zögerte jedoch aufgrund seines Alters und seiner vielen Aufgaben. Dennoch konnte ihn Kurfürstin Anna überzeugen. Am 30. März 1568 begann der Bau mit der Grundsteinlegung, und bereits nach 21 Monaten waren die Eckhäuser und Portale im Rohbau fertig. Lotter wohnte zunächst im Torhaus der alten Schellenburg und baute sich später ein Haus mit Material vom Abriss. Der Lotterhof wurde 1568 fertiggestellt, und auch August und Anna verweilten dort. Die geplante Fertigstellung des Schlosses 1571 verzögerte sich jedoch durch Materialprobleme und Aufstände der Bauleute.
Schloss Augustusburg folgt einem streng geometrischen Aufbau, der mit den vier quadratischen Eckhäusern Sommerhaus – Lindenhaus – Küchenhaus – Hasenhaus ein griechisches Kreuz bildet. Durch die Zwischengebäude und die Balustrade sind die Häuser untereinander verbunden. Das floral ausgemalte Sommerhaus diente der Unterbringung fürstlicher Gäste. Ebenfalls befand sich im 2.Obergeschoss der Tanzsaal des Schlosses mit eigener Musikerempore. Das Lindenhaus erhielt seinen Namen durch die 1421 gepflanzte Linde an der Bergseite. Darin befanden sich die Wohn- und Schlafräume der kurfürstlichen Familie sowie der repräsentative Empfangssaal im 2. Obergeschoss. Das Küchenhaus enthielt die Küchen, Speise-, Silber- und Kleiderkammer, Schneiderstube sowie den großen Speisesaal des Schlosses im 2. Obergeschoss. Das Hasenhaus diente ebenfalls der Unterbringung fürstlicher Gäste. Seinen Namen verdankt es der Wandmalerei „Die Verkehrte Welt“. Über drei Etagen erstreckt sich ein Bildzyklus, der Hasen in den Rollen von Menschen zeigt. Eine mythologische Bedeutung besaß zudem der Venussaal im 2. Obergeschoss. Die Hauptverbindung zwischen Hasen- und Sommerhaus war ursprünglich eine offene Arkadenhalle mit darüber liegender Ahnengalerie des Fürstenhauses Wettin. Gegenüber in östlicher Richtung schließt die Schlosskirche das Kernschloss ab.
Die Wasserversorgung des Schlosses war aufgrund der Höhenlage ein großes Problem. Vor Baubeginn wurde ein Bach im Bornwald gestaut, aber die Wasserversorgung über Schöpfwerke und Holzröhren scheiterte an Frost und Verstopfungen. 1568 wurde der Auftrag erteilt, einen Brunnen im Wirtschaftshof zu bohren, was sich als mühsam herausstellte. Durch das harte Gestein musste das Verfahren des Feuersetzens angewendet werden. Der Brunnenschacht wurde monatlich nur etwa 1,20 Meter vertieft. Zunächst waren erfahrene Bergleute im Einsatz, später kamen Wilddiebe, die Strafarbeit verrichteten.
Malerei und Innenausstattung
Mit dem Innenausbau begann 1570 auch die Ausmalung und Ausstattung der Schlossräume. Der berühmte Dresdner Hofmaler Heinrich Göding (1531 – 1606) bekam die anspruchsvolle Aufgabe alle Säle sowie ausgewählte Stuben und Kammern auszumalen. Ebenso die Bemalung der Tische und Bänke sowie der unzähligen geschnitzten Tierköpfe lagen in seiner Verantwortung. Nach den Bemalungen im Sommerhaus folgten das Lindenhaus, das Küchenhaus und schließlich das Hasenhaus. Heinrich Göding schuf zwischen 1570 und 1573 mit seinem Gesellen und drei Malerjungen die hoch repräsentativen wie auch spannenden, vom Kurfürsten selbst vorgegebenen, Wandmalereien. Der Bildzyklus mit dem Thema "Die Verkehrte Welt" im Hasenhaus gilt als ausdrucksvollste Wandmalerei des Schlosses. Über drei Etagen erstreckt sich die szenische Folge und zeigt wie Hasen die Macht über die Menschen erlangen.
Religion und Familie
Kurfürst August war eine Schlüsselfigur im Heiligen Römischen Reich, insbesondere als Haupt der deutschen Protestanten. Beim Augsburger Reichstag 1555 wurde der Religionsfrieden geschlossen, der den Landesfürsten das Recht gab, die Konfession in ihrem Gebiet zu bestimmen. „Cuius regio, eius religio“ – „Wessen Gebiet, dessen Religion“ – prägte fortan das Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten. August, lutherisch gesinnt, förderte den Aufbau einer Lutherischen Landeskirche in seinen Territorien. 1577 formulierte er die Konkordienformel, die 1580 im Konkordienbuch ihren Ausdruck fand, und legte so das Fundament des lutherischen Glaubensbekenntnisses. Zusammen mit Kurfürst Johann Georg von Brandenburg arbeitete er an dieser theologischen Ausrichtung, was ihre Freundschaft stärkte. Ihre Bindung vertiefte sich zusätzlich durch die Hochzeit ihrer Kinder, Christian I. und Sophie. Im Juli 1581 verbrachten beide Kurfürsten eine Zeit auf Schloss Augustusburg, geprägt von Jagden und Festen.
Die Augustusburger Schlosskirche, einer der ersten protestantischen Kirchenneubauten, wurde von Kurfürst August in Auftrag gegeben. Entworfen von Erhard van der Meer, ermöglichte die Planung dem Kurfürstenpaar direkten Zugang von seinen Gemächern auf die Empore der Kirche. Am 30. Januar 1572 wurde die Kirche eingeweiht, 26 Jahre nach Martin Luthers Tod. Hofprediger Philipp Wagner hielt Predigten, die auf Luthers Ansprache bei der Einweihung der Schlosskirche in Torgau verwiesen. Das Altarbild, geschaffen von Lucas Cranach dem Jüngeren, zeigt die kurfürstliche Familie am Fuß des gekreuzigten Christus. Kurfürst August kniet mit seinen Söhnen, Kurfürstin Anna mit ihren Töchtern. Das Bild erinnert auch an die verstorbenen Kinder, erkennbar an den Kreuzen. Im Hintergrund sind die Burgen Wolkenstein und Schellenberg zu sehen. Das Altarbild betont das Leiden Christi, im Einklang mit Luthers Theologie.
Das Kurfürstenpaar teilte viele Interessen, darunter die Heilkunst, Landwirtschaft und Gartenbau. Anna hatte eine Leidenschaft für seltene Pflanzen, medizinische Rezepte und Arzneiherstellung, während August sich intensiv mit dem Obstbau beschäftigte. 1619 veröffentlichte er das „Künstlich ObstGarten Büchlein“, in dem er Techniken wie Züchtung, Pfropfen und Baumpflege beschrieb. 1560 gründete er die Kunstkammer, die den Grundstein für die Dresdner Sammlungen legte. Durch die Forst- und Holz-Ordnung von 1560 förderte er die wirtschaftliche Nutzung der Wälder. Ein weiteres Gesetz von 1577 verpflichtete Ehepaare, Obstbäume zu pflanzen, um die Obstversorgung zu sichern.
Vergangenheit und Zukunft
Kurfürst August war ein politisch und wirtschaftlich einflussreicher Fürst im Heiligen Römischen Reich. Nach den Religionskriegen prägte er entscheidend die Entwicklung Sachsens, das unter seiner Herrschaft zum Musterland wurde. Er förderte Bergbau, Handel, Landwirtschaft und das Münzwesen, gründete die Kurfürstliche Bibliothek und die Kunst- und Naturalienkammer, die die Dresdner Kunstsammlungen hervorbrachten. Durch Reformen und Ordnungen modernisierte er den Staat, einschließlich einer Vereinheitlichung des Justizwesens. Seine Gemahlin Anna unterstützte ihn in allen Belangen, wodurch der kursächsische Hof zu einem der bedeutendsten in Europa wurde. Gemeinsam wurden sie als „Vater August“ und „Mutter Anna“ verehrt.